Grundsätzlich führt der Verwaltungsrat (VR) einer Aktiengesellschaft die Geschäfte der Gesellschaft selbst, soweit er die Geschäftsführung nicht übertragen hat. Die Personalunion von strategischem und operativem Management ist gerade bei kleineren Aktiengesellschaften verbreitet und in der Praxis üblich, auch wenn sie der sog. Principal Agent Theory widerspricht. Soweit die Geschäftsführung nicht übertragen worden ist, steht sie allen Mitgliedern des VR gesamthaft zu. Das Gesetz räumt dem VR jedoch auch die Möglichkeit ein, die Geschäftsführung zu delegieren. Im Folgenden wird dargelegt, was bei der Delegation zu berücksichtigen ist und welche Auswirkungen diese auf die Aufgaben und Haftung des VR haben kann.
Delegationsempfänger/-in
Sofern die Statuten die Delegation der Geschäftsführung nicht untersagen oder einschränken, hat der VR folgende Ausgestaltungsmöglichkeiten:
In allen Fällen muss es sich bei der Delegationsempfängerin oder dem Delegationsempfänger um eine bzw. mehrere natürliche Personen handeln.
Anforderungen
Die Delegation hat in formeller Hinsicht schriftlich zu erfolgen, üblicherweise im Rahmen eines Organisationsreglements, mindestens jedoch mittels Protokollierung des entsprechenden VR-Beschlusses. Inhaltlich muss das Organisationsreglement die Geschäftsführung ordnen, die hierfür erforderlichen Stellen bestimmen, deren Aufgaben umschreiben und die Berichterstattung an den VR regeln. Konkret bedeutet dies: Das Organisationsreglement hält fest, welches Organ die Geschäftsführung ausübt, es umschreibt die ihm übertragenen Aufgaben sowie deren jeweiligen Umfang. Zu beachten ist bei der Festsetzung der Organisation, dass das Gesetz Aufgaben des VR definiert, welche zwingend vom VR als Gremium wahrgenommen werden müssen und folglich nicht übertragbar sind (vgl. Art. 716a OR). Darunter fallen u. a. die Oberleitung der Gesellschaft sowie die Finanzkontrolle und -planung.
Chancen und Risiken
Die Übertragung von Führungsaufgaben auf ein verwaltungsratsexternes Organ ist unter dem Aspekt einer «guten Geschäftsführung » für jedes Unternehmen eine Chance: Dank der personellen und organisatorischen Trennung zwischen der Funktion des VR und der operativen Geschäftsleitung wird die unabhängige Aufsicht gestärkt und potenziellen Interessenkonflikten vorgebeugt sowie einer allfälligen Betriebsblindheit entgegengewirkt. Ausserdem werden die VR-Mitglieder zeitlich entlastet. Eine gänzliche Haftungsbefreiung kann der VR durch die Delegation nicht erreichen. Seine Haftung reduziert sich jedoch auf die Auswahl, Instruktion und Überwachung der Delegationsempfänger/- innen – sofern er beweisen kann, dass er dabei die nach den Umständen gebotene Sorgfalt hat walten lassen. Die Haftungserleichterung bedingt zudem, dass der VR zur Delegation befugt war, dass also weder statutarische Übertragungsbeschränkungen vorlagen noch eine unübertragbare Aufgabe delegiert wurde.
Quelle: EXPERT Info 2/2025